Bernd Hünlich (* 2. Oktober 1943 in Dresden; † 9. März 1992 Dresden) war ein Dresdner autodidaktischer Heimatforscher und Kunsthistoriker, der in Fachkreisen hohes Ansehen genoss. Er wurde zu DDR-Zeiten durch zahlreiche Veröffentlichungen über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Neben der Dresdner Stadtgeschichte waren seine Schwerpunkte:
Die Lokalgeschichte der Künstlergruppe BRÜCKE und das Leben von Paula Modersohn Becker.
Leben
Bernd Hünlich wurde am 2.10.1943 in Dresden geboren. Seine Mutter, Helene Hünlich, arbeitete im (sogenannten) Kolonialwarenladen ihrer Eltern, in Löbtau. Sie ließ sich früh scheiden, so dass ihr Sohn ohne Vater aufwuchs. Nach einem achtjährigen Schulbesuch erlernte B.Hünlich den nicht wunschgemäßen Beruf eines Elektroinstallateurs, um die Mutter finanziell zu entlasten. 1968 heiratete er Elisabeth (geb.Wirth) und zog nach Radebeul. Dort wurden die zwei Töchter geboren (1969 Christine/ 1971 Regina). Über 20 Jahre arbeitete B.Hünlich als Betriebselektriker am Institut für Festkörperphysik in Dresden, bis zu seiner Wende-bedingten Entlassung zum Jahresende 1991. Seinen eigentlichen Interessen kam er in seiner Freizeit, durch umfangreiche Forschungen, nach. (u.a. zur Stadtgeschichte Dresdens) Trotzdem er sich sein Wissen ausschließlich autodidaktisch erwarb, wurde er zunehmend in Fachkreisen bekannt. Man schätzte sein akribisch genaues Arbeiten und seinen umfangreichen Wissensschatz. Zahlreiche Veröffentlichungen zeugen von seiner Recherche- und Fleißarbeit. Trotz der Anerkennung seiner Lebensleistung, schon zu Lebzeiten, machte B.Hünlich die Arbeitslosigkeit nach seiner Entlassung zu schaffen. Zusammen mit anderen Problemen und einer Depression sah er sich in einer hoffnungslosen Situation und beendete sein Leben am 9. März 1992 (mit 48 Jahren) durch Suizid. In lokalen Zeitungen erschienen Nachrufe und Erinnerungen an seine profunde Sachkenntnis, an die rege Zusammenarbeit mit der Dresdner Kunstszene, sowie an die Anerkennung durch die internationale Fachwelt.
Kunsthistorische Forschungen
Zunächst war Bernd Hünlich an der Geschichte seiner Heimatstadt Dresden interessiert. Seine Mitgliedschaft im Jugendklub des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden regte ihn an, die Bildmotive und Wirkungsorte der Künstlergruppe Brücke in Dresden zu ermitteln. Seit 1979 veröffentlichte er Beiträge in den Dresdner Tageszeitungen Die Union, Sächsisches Tageblatt und Sächsische Neueste Nachrichten. Die erste kunstwissenschaftlich relevante Publikation erfolgte im Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 1981: Dresdner Motive in Werken der Künstlergemeinschaft „Brücke“. Ein Beitrag zur topographisch-kritischen Bestandsaufnahme. Auch in den Dresdner Kunstblättern veröffentlichte er zunehmend. Die Forschungen des folgenden Jahrzehnts wurden aufmerksam von der kunsthistorischen Öffentlichkeit begrüßt und fanden vielfaches Echo in der Literatur. Neben den Dresdner stadtgeschichtlichen Forschungen war B.Hünlich an Persönlichkeiten interessiert, die einen Bezug zu Dresden hatten. So zum Beispiel die Erforschung von eher unbeachteten oder vergessenen Ereignissen und Menschen Dresdens. Z.B. forschte er über den Landschaftsmaler und Lithographen C.W Arldt (Der Elbestrom) und den Maler Carl Rolle, der für Gottfried Semper arbeitete, sowie über Gottlieb Traugott Bienert. Durch die Beschäftigung mit der Stadtgeschichte entstand sein Interesse an Paula Modersohn Becker und ihrer Zeit in der Dresdner Friedrichstadt. Er machte die Grabstädte von Paulas Großeltern mütterlicherseits, auf dem Alten Annenfriedhof, ausfindig und pflegte es. Durch einen Artikel wurde die Tochter der Künstlerin auf ihn aufmerksam. Es kam zur Kontaktaufnahme und nach der Grenzöffnung lud Tille Modersohn B.Hünlich und seine Frau, die ihn in seiner Arbeit immer unterstützte, nach Bremen ein. So kam es immer wieder zu sehr persönlichen Begegnungen, bedingt durch seine Arbeit, die für den ansonsten eher introvertierten B.Hünlich wertvoll und beglückend waren. Eine große Bereicherung war auch der Kontakt zu dem Kunsthändler und Galeristen aus der Schweiz, Dr.phil.h.c.E.W.Kornfeld aus Bern. Mit ihm entstand eine enge Zusammenarbeit. Hünlich recherchierte vor Ort zu Bildern und Skizzen der Brücke-Künstler und korrigierte falsch zugeordnete Lokalitäten. (wie z.B. im Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Band 13 von 1981 veröffentlicht.) Dazu verwendete er eigene Fotos und historische Postkarten. Um 1985 durfte B.Hünlich Dr.Kornfeld persönlich durch Dresden, an die noch erhaltenen gemalten und gezeichneten Lokalitäten der Brücke-Künstler, führen. Der Höhepunkt der Anerkennung seiner Arbeit war sein Vortrag zu einem Symposium zum 50. Todestag Ernst Ludwig Kirchners am 15. September 1988 in Davos. Der Tittel lautete: Ernst Ludwig Kirchner- Aspekte zu leben und Werk der Dresdner Jahre. Allerdings kam es nur durch die Fürsprache und den persönlichen Einsatz von Prof.Dr.Werner Schmidt, Direktor des Kupferstichkabinettes und von schweizer Seite durch Herrn Dr.Kornfeld, der auch die Finanzierung mit den notwendigen Devisen regelte und durch einen unermüdlichen diplomatischen Einsatz über die Botschaften, dazu. B.Hünlich war nie Mitglied der SED, war Mitglied der Kirche und hatte Wehrersatzdienst beantragt. (Die Staatssicherheit überwachte ihn unter dem Decknamen "Brücke", wie seine Stasiakten später offenlegten.) Somit hatte er schlechte Voraussetzungen für eine Reisegenehmigung und erlebte die üblichen Schikanen der DDR-Behörden. Nachdem es keine Hoffnung mehr auf eine Erlaubnis gab und das Symposium schon begonnen hatte, kam dann doch noch das OK, mit Verspätung. Sein Beitrag wurde verschoben und nach der (um einen Tag verzögerten) Anreise erreichte er erschöpft Davos. Als B.Hünlich den Saal betrat, standen alle Anwesenden auf und klatschten. Ein unvergesslicher und überwältigender Augenblick und ein Zeichen grenzüberschreitenden Zusammenhaltes in Zeiten des kalten Krieges. Anschließend ermöglichte Dr.Kornfeld ihm außerdem noch eine Übernachtung, umgeben von Kirchner-Originalen, auf der Stafelalp, auf der sich der Künstler Ernst Ludwig Kirchner öfter zur Erholung und zum kreativen Schaffen aufgehalten hatte. Eine ganz besondere Geste der Wertschätzung für Bernd Hünlich, den Heimatforscher.
Trivia
Hünlichs letzte Publikation war ein Zeitungsartikel in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 22. Februar 1992, in dem er über den Freitod Stefan Zweigs schrieb.
Der Kunsthistoriker Gerd Presler widmete posthum mehrere seiner kunstwissenschaftlichen Aufsätze dem Andenken Bernd Hünlichs.
Eine Rezension des Kinofilmes "Paula- Mein Leben soll ein Fest sein", von Christian Schwochow, verweist auf die Bedeutung von Hünlichs Forschungen für die Rekonstruktion der Dresdner Jahre der Künstlerin Paula Modersohn-Becker.
Hünlichs schriftlicher Nachlass zu den Brücke-Künstlern wird im Kirchner Museum Davos aufbewahrt. Der Denkmalschutz erhielt die Aufzeichnungen über Carl Rolle und dem Stadtgeschichtlichen Museum wurden die Dresdner Sachen übergeben ( Herrn Griebel). Was Moritzburg betrifft, erhielt der Heimatforscher Herr Billig.
Publikationen (Auswahl)
- Dresdner Motive in Werken der Künstlergemeinschaft "Brücke". Ein Beitrag zur topographisch-kritischen Bestandsaufnahme. in Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Band 13. 1981. S. 67–100.
- Die ersten Dresdener "Brücke"-Ausstellungen im Bau von Wilhelm Kreis. in Dresdner Kunstblätter 26. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1982. S. 39–41.
- Paula Modersohn-Beckers Dresdner Erinnerungen. Zum 75. Todestag der Künstlerin. in Dresdner Kunstblätter 26. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1982. S. 166–167.
- Ernst Ludwig Kirchners "Russisches Tanzpaar" und seine Entstehung. in Dresdner Kunstblätter 27. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1983. S. 21–26.
- Heckel und Kirchner auf der Berliner Straße in Dresden. Zum 100. Geburtstag Erich Heckels am 31. Juli. in Dresdner Kunstblätter 27. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1983. S. 115–121.
- Heckels und Kirchners verschollene Plakatentwürfe für die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. in Dresdner Kunstblätter 28. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1984. S. 145–151
- Wohnstätten und Lebensumstände der vier "Brücke"-Gründer in Dresden. Zum 80. Gründungstag der Künstlergruppe am 7. Juni. in Dresdner Kunstblätter 29. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1985. S. 80–90.
- Paula Modersohn Becker und ihre Geburtsstadt. Am 8. Februar vor 110 Jahren wurde die Malerin in Dresden geboren. in Dresdner Kunstblätter 30. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1986. S. 8–15.
- Heckel und Kirchner im Dresdner "Flora-Variete". in Dresdner Kunstblätter 30. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1986. S. 83–91.
- Carl Rolle und seine Ausmalungen von Sempers "Neuen Museum" in Dresden. Zum 125. Todestag des Künstlers. in Dresdner Kunstblätter 31. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1987. S. 133–145, 164
- "C. W. Arldt" – Ein Künstler im Dunkel. in Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Band 20. 1988. S. 81–108.
- E. L. Kirchners Dresdner Freundin "Dodo" Doris Große. in Dresdner Kunstblätter 32. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1988. S. 137–147.
- Moritzburger Ortsmotive der "Künstlergruppe Brücke". Werke von Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Hermann Max Pechstein. in Dresdner Kunstblätter 34. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1990. S. 169–182, 204.
- Carl Rolles Arbeiten für Sempers erstes Hoftheater. Zum 150. Jahrestag der Eröffnung. in Dresdner Kunstblätter 35. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1991. S. 41–52.
- Nachtrag zur Ausstellung "Ferdinand von Rayski" im Albertinum. Zum Gemälde "Berglandschaft" in der Gemäldegalerie Neue Meister. in Dresdner Kunstblätter 35. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1991. S. 116–119.
Literatur
- Ingrid Wenzkat. „Ich gehe ihnen voraus…“. Zum Freitod von Bernd Hünlich. In Dresdner Neueste Nachrichten/Die Union. Ausgabe Dresden vom 11. März 1992. S. 7.
- Hans-Ulrich Lehmann. Bernd Hünlich zum Gedenken. In Dresdner Kunstblätter. 36. Jahrgang. Nr. 2. Dresden 1992. S. 65.
- Ernst Braun. Erinnerungen an Bernd Hünlich. in Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie. Nr. 127. Aufbau Verlag. Berlin 1992. S. 71–73
- Ernst Braun. Bibliographie Bernd Hünlich. (Stand: 14. Mai 1992) in Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie. Nr. 127. Aufbau Verlag. Berlin 1992. S. 74–81
Einzelnachweise



