Wilhelm Rühlmann (* 6. Dezember 1842 in Zörbig; † 8. Januar 1922 ebenda) war ein deutscher Orgelbaumeister.

Leben und Werk

Wilhelm Rühlmann, Sohn des Orgelbaumeisters Friedrich Rühlmann (* 1. Juni 1812; † 25. Oktober 1878), erlernte den Orgelbau von 1856 bis 1860 bei seinem Vater. Dieser hatte in Zörbig eine Orgelwerkstatt gegründet, baute aber nur sechs kleine Orgeln. Nach der Lehre war Wilhelm Rühlmann von 1860 bis 1866 Geselle bei Friedrich Ladegast in Weißenfels. Sein Erstlingswerk war die 1866 entstandene Orgel in der Dorfkirche zu Dornitz bei Könnern. Als sein Vater 1866 erkrankte, übernahm Wilhelm die Geschäftsführung, die er bis 1912 innehatte. Sein jüngerer Bruder Theodor, der dieselbe Ausbildung durchlaufen hatte, war von 1872 bis 1910 Mitarbeiter in dem Betrieb. Wilhelm Rühlmann vertiefte seine Kenntnisse auf zwei Reisen ins baltische Livland (1869 und 1871). 1879 folgte eine Studienreise nach Frankreich.

1883 errichtete er am Stadtrand Zörbigs die „Orgelbau-Anstalt W. Rühlmann“, die 1892 und 1914 Erweiterungen erfuhr und zu den bedeutendsten Betrieben Mitteldeutschlands zählte. In dieser Zeit entstanden mehr als 300 Orgeln, die vor allem in Mitteldeutschland errichtet wurden, darunter die Orgel der St.-Agnus-Kirche in Köthen, der Lutherkirche in Bad Kösen und der Kirche St. Martin in Zwochau (opus 201, nach anderer Zählung opus 200). Wilhelm Rühlmann war einer der ersten deutschen Orgelbauer, der die pneumatische Traktur anwandte, so bei der Martinskirche in Bernburg.

Wilhelm Rühlmann war Gründungsmitglied des „Vereins Deutscher Orgelbauer“. Er starb wenige Wochen nach Vollendung seines 80. Lebensjahres am 8. Januar 1922 in seiner Geburtsstadt Zörbig. Die Zeitschrift für Instrumentenbau widmete ihm auf der Titelseite der Ausgabe vom 1. März 1922 einen mehrseitigen Nachruf.

Nach seinem Tod wurde die Werkstatt von seinem Sohn Wilhelm Rühlmann jun. (1882–1964) fortgeführt, der bereits ab 1912 Geschäftsführer war. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Auftragslage stark rückläufig. Insgesamt gingen aus der Firma mehr als 460 Orgeln hervor (einschließlich größerer Umbauten). Sie wurde 1945 aufgelöst, weil Wilhelm Rühlmann jun. erblindete und der Sohn Albrecht (* 18. März 1927; † 26. September 2015) noch keine Ausbildung hatte und in sowjetische Gefangenschaft geraten war. Albrecht Rühlmann erlernte den Orgelbau bei Klais, musste die Lehre aber 1952 aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Er blieb 19 Jahre Mitarbeiter bei Klais im Bereich der Technik und Planung sowie im Außendienst. Den Nachlass, den Albrecht Rühlmann nach der „Auswanderung“ aus der DDR mitführen konnte, übergab er Kantor Matthias Müller und seiner Orgel- und Harmoniumwerkstatt. In dessen Händen liegt im Auftrag der Tochter von A. Rühlmann seither auch das Rühlmannarchiv. Mit ihm zusammen initiierte er das „Internationale Rühlmannorgel-Festival“.

Instrumente & Charakteristika

Wilhelm Rühlmann (senior) baute zunächst ausschließlich Instrumente in bewährter Tradition, setzte auf mechanische Trakturen und die traditionelle Schleiflade. Neben vielen kleinen Werken entstanden auch große Instrumente wie Köthen, St. Agnus (33 Stimmen), Mücheln (Geiselt.), St. Ulrich (24 Stimmen) und Barby, St. Johannis (35 Stimmen). Teilweise wurden alte Gehäuse weiter verwendet, vielfach neue Prospekte geschaffen. Die Spieltische gleichen stark denen seines Lehrmeisters Friedrich Ladegast mit seitlichen Manubrien.

Ab 1887 wandte sich die Werkstatt der Pneumatik zu und übernahm die Kastenlade nach dem System von Ernst Röver. In dieser Zeit entstanden die heute für Rühlmann charakteristischen Spieltische mit Firmenschild über dem obersten Manual sowie einreihig unter dem Notenpult angeordneten Registerschaltern. Die Dispositionen wurden grundtöniger, das zweite Manual wurde deutlich öfter als Schwellwerk gebaut. (Vgl. Sennewitz, St. Nikolai – Schwellwerk Manual II bei nur 13 Stimmen!). Vorher war dies nur bei großen Instrumenten über 20 Registern der Fall. Der Schwelltritt als Balanciertritt setzte sich gegenüber dem auch noch in Querfurt (Op.122) und Sennewitz (Op.133) verwendeten Löffeltritt durch. Diese Schaffensperiode kennzeichnet die Hochzeit der Werkstatt, große Werke wie die für die Marktkirche zu Halle, die Ulrichskirche zu Halle, Barby, St. Marien, Staßfurt und Herzberg a.d. Elster verließen die Zörbiger Werkstatt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde schrittweise die pneumatische Kegellade eingesetzt.

Die Dispositionen sind stets grundtönig, der Klang ist sehr mischfähig. Stimmen wie Flauto traverso, Hohlflöte, Flauto amabile und Gambe finden sich in jeder der Instrumente von Rühlmann. Um 1930 begann ein klanglicher Wandel zu den Idealen der Orgelbewegung, auch wenn man sich diesen nur zögerlich öffnete – meist blieb es bei wenigen Stimmen, die in diesem Gestus gebaut wurden, das Grundkonzept der Orgel blieb stets grundtönig und warm-weich.

Nach 1945 wurden viele der Orgeln aus Zörbig durch verschiedene Orgelbauer (G. Kühn, R. Adam, E. Lägel) mit mehr oder minder guten Ergebnissen „barockisiert“. Heute sind ca. 350 Instrumente vorhanden, ein nicht unerheblicher Teil ist aber zerstört oder vom Verfall bedroht.

Werkliste (Auswahl)

Die Orgelbauanstalt W. Rühlmann schuf 460 Neu- und Umbauten von 1866 bis 1939 (ab 1912 unter W. Rühlmann jun.) vor allem in der damaligen Provinz Sachsen (heute Sachsen-Anhalt), aber auch in den angrenzenden Gebieten Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

Weblinks

  • Christian Schmidt und Daniel Ulrich: Werkeverzeichnis der Orgelbau=Anstalt von Wilhelm Rühlmann (Opus 001 - 467). In: Orgelbau=Anſtalt von Wilhelm Rühlmann, Zörbig. Freunde der Orgelbauanstalt von W. Rühlmann, abgerufen am 30. Juni 2020. 
  • Rühlmann, Wilhelm (Orgelbauer). In: Musikkoffer Sachsen-Anhalt. Musikalisches Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt, abgerufen am 30. Juni 2020. 
  • Organ index: Wilhelm Rühlmann
  • Matthias Müller: Familie und Orgelbaudynastie Rühlmann & Rühlmannorgel-Festival. Abgerufen am 30. Juni 2020. 

Literatur

  • Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 2: Sachsen und Umgebung. Pape Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-921140-92-5, S. 323–324. 
  • Hermann Fischer: 100 Jahre Bund deutscher Orgelbaumeister. Orgelbau-Fachverlag, Lauffen 1991, ISBN 3-921848-18-0, S. 286. 
  • Zum Gedächtnis des Hoforgelbaumeisters Wilhelm Rühlmann. 1842–1922. In: Zeitschrift für Instrumentenbau. Nr. 16. Leipzig 1. März 1922, S. 669–671 (Digitalisat). 

Einzelnachweise


Stefan Rühlmann Naumburger Unikate

Rümann, Wilhelm R

Michael Rühlmann Sozialpädagoge Innova Sozialwerk e.V. XING

Wilhelm von Rümann, Selbstbildnis Ende auctions & price archive

Florian Rühlemann Betriebswirtschaftslehre Universität Regensburg